

 
- Ein
Interview mit dem
 
- Herausgeber
der Zeitschrift
 
- European
Photography
 
- Andreas
Müller-Pohle 
 
Seit
wann gibt es European Photography?  
Seit
dem 1. Januar 1980. 
Wann
hatten sie die Idee, eine Photozeitschrift zu machen ? 
In
Göttingen, wo ich damals studiert habe, gab es eine Interview ziem-
 
- lich
gute Photozeitschrift mit dem Namen »Fotografie«, die freie
Mitarbei- 
 
- ter
suchte. Also habe ich einige Zeit dort mitgemacht, Erfahrungen ge- 
 
- sammelt
und Kontakte geknüpft. Nach einiger Zeit erschien mir der Rah- 
 
- men
der Zeitschrift etwas eng - fast nur auf deutsche Fotografie kon- 
 
- zentriert
und einsprachig -, und auch der Stil des Herausgebers war auf 
 
- Dauer
nicht mein Fall, was etwa den Umgang mit Fotografen betraf. So 
 
- kam
die Idee auf, eine eigene Publikation zu entwickeln, die von Anfang 
 
- an
international ausgerichtet war.
 
Warum
gaben Sie ihr den Titel »European Photography« ? 
Weil
es Ende der siebziger/Anfang der achtziger Jahre eine fast unter-  
- würfige
Verehrung für die sogenannte »amerikanische Photographie«
 
- gab,
aber kaum ein Bewußtsein von den europäischen Traditionen, spe-
 
- ziell
der zwanziger und dreißiger Jahre. Wir haben ja nach dem Krieg 
 
- in
Europa diese Generationslücke von Künstlern, die zum großen
Teil 
 
- nach
Amerika ausgewandert sind oder von den Nazis umgebracht wur- 
 
- den.
Als dann in den siebziger Jahren in Europa die Photographie als
 
- Kunstform
wiederentdeckt wurde, fehlte uns gewissermaßen eine 
 
- ganze
Vatergeneration. Und so wurden die Einflüsse der mittleren Ge- 
 
- neration
amerikanischer Photographen für uns alle bestimmend - Les 
 
- Krims,
Ralph Gibson, Duane Michals, Stephen Shore, das waren unsere 
 
- Vorbilder
damals. Aber irgendwann wurde es einfach albern, immer nur 
 
- amerikanische
Photobücher und Zeitschriften zu studieren, statt sich 
 
- klarzumachen,
daß diese Leute einen Umweg unserer eigenen Entwick- 
 
- lung
repräsentierten. Deshalb fand ich es unbedingt nötig, ein eigenstän-
 
- diges
europäisches Forum für Photographie, Kritik und Theorie zu 
 
- schaffen.
 
Welche
Auflage hat »European Photography« ? 
Wir
erreichen etwa 17.000 Leser. Wenn ich die Alternative zwischen  
- quantitativer
und qualitativer Verbreitung betrachte, ist mir letztere deut- 
 
- lich
wichtiger, also: daß die Zeitschrift von den maßgeblichen Leuten
ge- 
 
- lesen
wird und in die wichtigen Institutionen gelangt. Und das kann ich 
 
- von
»European Photography«, glaube ich, inzwischen behaupten.
 
Wer
liest »European Photography« ? 
Der
ganz überwiegende Anteil der Leser sind feste Abonnenten, und  
- davon
zu einem großen Teil Institutionen wie Hochschulen, Museen, öf-
 
- fentliche
Bibliotheken, aber auch Galeristen, Kritiker und natürlich Photo-
 
- graphen.
Wir haben immer wieder mal Leserumfragen durchgeführt, 
 
- aber
mehr, um demographische Aufschlüsse zu gewinnen, als um die 
 
- Inhalte
anzupassen. Die Zeitschrift ist eine Autorenzeitschrift, das heißt,
 
- sie
wird so gemacht, wie wir das für richtig halten, und dann sehen wir
 
- zu,
daß wir sie unter die Leute bringen. Was die geographische Vertei-
 
- lung
angeht, bleibt ungefähr die Hälfte der Auflage im deutschsprachigen
 
- Raum,
der zweitgrößte Markt sind die USA. Danach verteilt sich der
 
- Rest
auf fünfzig weitere Länder.
 
Wie
entsteht die Zeitschrift ? 
Das
thematische Konzept stammt größtenteils von mir, aber einzelne
 
- Beiträge
werden regelmäßig von den freien Mitarbeiterinnen und Mitar-
 
- beitern
an mich herangetragen. Das ist ein Netzwerk von ungefähr fünf-
 
- undzwanzig
Leuten, mit denen ich überwiegend engen Kontakt halte. Bis 
 
- Ende
der achtziger Jahre gab es zudem das Gastherausgeberprinzip, 
 
- das
ich gern wiederbeleben möchte. Ansonsten arbeite ich in Göttingen
 
- mit
einem kleinem Team, durchwegs freie Mitarbeiter, keine Angestellten. 
 
- Es
war nie mein Ehrgeiz, eine große Struktur aufbauen, sondern ich 
 
- wollte
eher so etwas wie eine »virtual company« betreiben, klein,
ef- 
 
- fizient,
ohne große Fixkosten. Schließlich ist die Gründung einer
Zeit- 
 
- schrift
ein Schritt in Richtung Freiheit, und die kann man nur behalten, 
 
- wenn
man den Laden beweglich hält.
 
»European
Photography« hat seit einem Jahr die Internet-Site equiva-  
- lence.com.
Mir ist aufgefallen, daß bei »Equivalence.com« ausschließlich
 
- Bilder
von Ihnen zu sehen sind. Handelt es sich bei »Equivalence.com«
 
- um
eine Homepage für Andreas Müller-Pohle, oder will das irgendwann
 
- einmal
Journal sein? In welche Richtung wird sich die Domäne ent- 
 
- wickeln
?
 
Die
Struktur dieser Domain ist folgende: Die erste Rubrik heißt »Entrée«
 
- und
bildet den Eingangsbereich, in dem Updates und Infos über neue In-
 
- halte
aufgelistet sind. Die zweite Rubrik, »Pavillon«, ist sozusagen
der 
 
- Verkaufsstand,
an dem die Produkte des Verlages angeboten werden - 
 
- die
Zeitschrift, die Deluxe-Bücher, die Edition Flusser. Dann gibt es
eine 
 
- dritte
Rubrik, die heißt »Laboratorium«. In diesem Teil werden
künstleri- 
 
- sche
Projekte vorgestellt, darin sind dann auch Bilder von Andreas Müller-
 
- Pohle
zu finden, aber genauso Texte von und Informationen über Vilèm
 
- Flusser,
Boris Groys und demnächst weitere Künstler und Philosophen. 
 
- Und
schließlich gibt es eine vierte Rubrik, die heißt »Interface«,
mit aus- 
 
- gewählten
Links, einem Diskussionsforum und einem Feedback-Formular. 
 
- Das
ist die Grundstruktur. Wir planen, Equivalence zukünftig verstärkt
in 
 
- Richtung
Online-Publikation zu entwickeln, also den Anteil aktueller Inhalte 
 
- zu
erhöhen. Ab Januar soll es einen Online-Ausstellungskalender geben,
 
- dann
folgen Neuerscheinungstips und Kurzkritiken. Auch der European 
 
- Photography
Guide, der jetzt schon länderweise im Netz vertreten ist,
 
- wird
künftig über Paßwort in seiner jeweils aktuellen Form vollständig
 
- im
Netz abgerufen werden können.
 
Wenn
man eine Zeitung auf Papier macht und dann ins Internet geht, ist  
- das
nicht etwas, das sich ausschließt ?
 
Nein,
im Gegenteil, beides ergänzt sich geradezu zwingend. Wenn wir  
- uns
die Veränderungen der Medienstruktur der letzten Jahre anschauen,
 
- dann
stellen wir eine rasante Tendenz zur Verkürzung der Lebenszyklen 
 
- fest.
Das Buch etwa, ein traditionell langlebiger Informationsspeicher, ist 
 
- in
weiten Bereichen in die Dimension der Zeitschrift geraten, und es ist 
 
- in
manchen Bereichen schon nicht mehr sinnvoll, zwischen Buch und 
 
- Zeitschrift
unterscheiden zu wollen. Ganz dramatisch trifft es die Zei- 
 
- tungen,
deren Angebote weitgehend vom Netz übernommen werden 
 
- können.
Das heißt, die traditionellen Analogmedien werden vom neuen 
 
- Digitalmedium
Internet in vielerlei Hinsicht entlastet und können eine ideale 
 
- Arbeitsteilung
eingehen: ein künstlerisches Photo etwa ist in einem Ana- 
 
- logmedium
gut aufgehoben, ein Ausstellungskalender hingegen gehört 
 
- besser
ins Netz. Die Konsequenz haben wir bei European Photography 
 
- gezogen
und alle kurzlebigen und zeitnahen Inhalte aus der Zeitschrift 
 
- herausgenommen,
um sie ab Januar in unserer Website anzubieten.
 
- Schauen
Sie dann einfach noch mal rein.
 
Vielen
Dank für Das Gespräch. - Andreas
Licht