Burkhard Oelmann

          Kunst-Körper

      Tod und Unsterblichkeitsphantasma in der inszenierten Foto-
      grafie des ausgehenden 20. Jahrhunderts.
      Theatralisierung und Digitalisierung

      Gegenstand meines Promotionsprojektes sind Körperdarstellungen in
      der zeitgenössischen inszenierten Fotografie wie sie in analoger und
      digitaler Form in den Arbeiten von Cindy Sherman und Keith Cotting-
      ham zu finden sind. Thema der Arbeit ist die künstlerische Auseinan-
      dersetzung mit der Idee des Körpers als gestaltbarem, verbesserungs-
      würdigem und somit auch zu verewigendem Objekt in einem Bildmedium,
      das von Anbeginn im Pendelschwung zwischen Verewigung und Mortifi-
      zierung betrachtet wurde. In der Informationsgesellschaft als einer Kultur
      technischer Bewahrung, die ihren Ehrgeiz auf die Speicherung und Ver-
      fügbarkeit immer größerer Datenmengen richtet, muß die Hinfälligkeit des
      Körpers als anachronistischer Restwiderstand erscheinen. Die Entwick-
      lungen und Zielsetzungen in den Bereichen der plastischen Chirurgie,
      der Gentechnik und der virtuellen Realität sind auf je verschiedene Art
      und Weise Bestandteil eines Unsterblichkeitsphantasmas. Mit diesen
      Praktiken und Technologien verbindet sich die Vorstellung von einem
      Körper, der sich nahezu beliebig umgestalten, vervielfältigen und sub-
      stituieren läßt. In der zeitgenössischen inszenierten Fotografie wird
      dieses Körper-Konzept nicht nur inhaltlich reflektiert, sondern insbe-
      sondere durch den Einsatz digitaler Bildbearbeitungs-techniken auch
      formal umgesetzt. Den erweiterten Möglichkeiten des verändernden Zu-
      griffs auf den Körper korrespondiert die gesteigerte Manipulierbarkeit
      und »Durchlässigkeit« der technischen Bilder. Dies führt zu einer Kon-
      vergenz von Körper und Körper-Bild. Die mythisch aufgeladene Idee,
      den Kunst-Körper zu verlebendigen, und umgekehrt der Wunsch selbst
      Bilder betreten zu können, gehen hier eine Verbindung ein. Schauplatz
      und Schnittmenge ist der Körper als Bild. In meiner Arbeit soll der Versuch
      unternommen werden, dieses Bild-Werden des Körpers als eine Strategie
      der Selbstverewigung aus kunsthistorischer Sicht faßbar zu machen. Dies
      soll anhand Cindy Shermans Bildserie History Portraits und Keith Cotting-
      hams Foto-Triptychon Fictitious Portraits erfolgen, denen ein zitierender
      bzw. paraphrasierender Rückgriff auf die Datenbank der Kunstgeschichte
      mit ihren Konventionen, Regeln und Schemata bildnerischer Körper-Insze-
      nierungen gemeinsam ist. Dementsprechend liegt der Schwerpunkt auf
      einer historisierenden Betrachtung und vergleichenden Analyse, die ins-
      besondere Werke und Praktiken einbezieht, in denen Entgrenzungen von
      Kunst und Leben oder einzelner Kunstgattungen stattfinden. Zielsetzung
      und Ausblick der Arbeit ist es, die gegenwärtigen und sich für die Zukunft
      abzeichnenden Optionen des körperlichen Selbstentwurfs jenseits der
      Extreme von Machbarkeits-Rhetorik und Verfallsgeschichte als einen in
      der Kunst- bzw. Fotografiegeschichte bildhaft vorweggenommenen, und
      nunmehr in der zeitgenössischen Fotografie aktualisierten Topos darzu-
      stellen.
          e-mail
          vaneyck@zedat.fu-berlin.de