- Abstrakte
Fotografie -
- Eine
Definition
Abstrakte
Malerei - ? Kein Problem. Man weiß, was damit gemeint
- ist.
Aber abstrakte Fotografie? Gibt es so etwas tatsächlich? Ja,
- kann
es das überhaupt geben bei der sprichwörtlichen Wirklichkeits-
- treue
der Kamera? Und: Wenn es Versuche in dieser Richtung gege-
- ben
hat, müssen sie nicht als Irrweg eingestuft werden, als Experi-
- mente
mit untauglichen Mitteln, als zutiefst »unfotografische« Bemü-
- hungen,
bestimmte Bildvorstellungen moderner Malerei zu imitieren,
- um
sich das Qualitätssiegel »Kunst« zu verdienen?
Gewiß
- wer die charakteristischen Eigenschaften der Fotografie zu
- benennen
sucht, wird zweifellos auf die beiden folgenden stoßen:
- Was
Fotografieren von älteren Bildverfahren wie Malen und Zeichnen
- unterscheidet,
ist einmal der durch und durch »mechanische« Prozess
- des
Bildentstehens; zum anderen der unüberbietbare Realismus der
- Kamera
im Sinn möglichst naturalistischer Wiedergabe sichtbarer Welt.
Aber: Soll man aus diesen Unterschieden ohne Not ein Evangelium ma-
- chen?
Ist es, mit anderen Worten, sinnvoll, auch ästhetisch ambitionierte
- Fotografie
auf ein »dokumentarisches« Programm festzulegen und alle
- anderen
Formen, die daneben möglich wären, als »unfotografisch«
zu
- denunzieren?
Historisch
gesehen ist diese Frage unentschieden. Es hat Phasen der
- Fotogheschichte
gegeben, in denen man Fotokunst kategorisch mit der
- Dokumentarästhetik
gleichsetzte, und andere, die in dieser Hinsicht libe-
- raler
dachten.
Während
des 19. Jahrhunderts etwa galten das mechanische Entste-
- hen
wie die Detailtreue des Lichtbilds als bedauerliche Defekte. Wer da-
- mals
»Kunstphotographie« betrieb, mußte daher alles unternehmen,
die-
- se
Defekte zu überspielen. Durch gezielte Unschärfe oder Rembrandt'-
- eske
Hell/Dunkel-Effekte und handwekrlich aufwendige »Edeldruck«-
- Verfahren,
die besagte »Defekte« quasi unsichtbar machten.
Daß
dieser, impressionistische Malerei imitierende »Piktorialismus«
der
- Jahrhundertwende
noch immer als peinlicher Unfall der Fotogeschichte
- gehandelt
wird, als »merkwürdiges Mißverständnis der inneren
Qualitä-
- ten
der Fotografie« (Paul Strand), zeigt indes nur, wie sehr das etablierte
- Fotoverständnis
noch immer von der »modernistischen«Sicht auf den
- Gegenstand
dominiert wird. Denn es war das »moderne« Credo medien-
- bzw.
materialgerechter Kunstpraxis, wonach jede Kunstform ihre eigene
- Ästhetik
entwickeln und diese auf ihren spezifischen medialen Eigenheit-
- en
basieren müsse, das der Kamerakunst die dogmatische Festlegung
- auf
die »reine« Fotografie (das Dokumentarprinzip) als die einzige
der
- Kamera
adäquate Ästhetik diktierte.
Zwar ist dies Diktat durch die Praxis der fotografischen »Postmoderne«
- längst
außer Kraft gesetzt. Doch eine überfällige Revision »moderner«
- Fotogeschichtsschreibung
unter dem Blickwinkel postmoderner Fotopra-
- xis
hat, wenn überhaupt, erst in Ansätzen begonnen.
Im Zuge einer Revision »moderner« Foto-(Vor-)Urteile käme
dann auch
- ans
Licht, welch bedeutsame Tradition das »abstrakte« Lichtbild
darstellt;
- und
mehr noch, daß die Ursprünge bis in die heroische Phase der
Foto-
- Moderne
zurückreichen und seine Praxis damals von den Theoretikern
- der
Avantgarde als »progressivere« Alternative zum Dokumentarprinzip
- sogar
deutlich favorisiert wurde.